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Törnbericht Griechenland 2019 Schiff "Midas"

Herbsttörn 2019 Griechenland - Schiff "Midas"

Zu Beginn des diesjährigen Herbsttörns konnte man am frühen Morgen im kühlen Lauffen noch in viele übermüdete Gesichter schauen. Doch schon um die Mittagszeit hatten wir unseren Ausgangshafen die Marina Kalamaki (Alimos) im warmen Athen erreicht.

Die Wettervorhersage versprach den 4 Crews Sonne und Wärme. Wind sollte aber erst zur Wochenmitte aufkommen, da der in diesem Revier typische Sommerwind "Meltemi" kurz zuvor seinen Dienst quittiert hatte.

Bald zeigte sich, dass wir etwas länger auf unser Schiff, eine Bavaria C45, warten müssten. An ein frühes Ablegen wäre für uns aber auch gar nicht möglich gewesen.  Die rund 1000 Schiffe fassende Marina war mehr als vollgepackt. Die Schiffe lagen, wie im Süden üblich, mit Heck zum Steg und Muringleine vertäut. Doch damit nicht genug. Zumindest an unserem Steg lagen noch weitere Schiffe in zweiter Reihe Bug an Bug verkeilt. So endete die Bootsübergabe auch mit dem Hinweis, wenn wir bei der Rückkehr wieder so komfortabel liegen wollen, müssen wir bis spätestens Freitag 14:00 zurück sein.

Nachdem Gepäck und Vorräte verstaut waren, letztere wurden per Kleintransporter vom Supermarkt bis direkt ans Schiff geliefert, ließen wir uns in einer nahegelegenen Bucht im Strandrestaurant "Edem" ein Abendessen schmecken.

Nach der Rückkehr zum Schiff wurden wir von einem unerträglichen Dieselgeruch begrüßt. Die herbeigerufenen Mechaniker, konnten das Problem nicht sofort lösen, so dass die Crew der betroffenen Kabine die erste Nacht im Cockpit nächtigte. Am nächsten Tag wurde das Problem dann durch ein Ersatzteil gelöst.

Um 11:00 Uhr konnten wir schließlich die Leinen loswerfen und den anderen Schiffen folgen. Mangels Wind war der Tag seglerisch eher enttäuschend. In einer Bucht im Südwesten der Insel Kea fiel dann der Anker. Der Motor vom Dingi hatte an diesem Abend dann auch keine rechte Lust und verwehrte uns die geplante Fahrt zur örtlichen Taverne. Was nun folgte, war ein wunderbarer, lustiger Abend an Bord bei Pasta, Wein und Sonnenuntergang.

Am nächsten Morgen war dann auch das Dingi wieder ausgeschlafen und lief einwandfrei. Wir lichteten den Anker und es ging weiter zur Insel Syros in den Hafen Ormos Phoinika. Dort trafen wir dann wieder auf die anderen Crews. Mit Hilfe von Internetbewertungen wurde dort die kleine und sehr empfehlenswerte Taverne "Calmo mare" für ein üppiges Abendessen auserchoren. Später wurde unser Schiff dann Opfer einer der obligatorischen Invasionen durch die Crews der anderen Schiffe. Der Abend endete erst zu später Stunde zu den Klängen von "Après-Ski-Hits".

Der örtliche Bäcker bietet sehr gutes Brot, Schokohörnchen und Donuts, deren Geschmack an "Berliner" erinnert. Mangels Wind ging es erst mal in eine kleine Badebucht vor Anker, wo diese Köstlichkeiten verzehrt wurden. Mit dem Aufkommen von etwas Wind wurde der Anker aber wieder gelichtet und es ging weiter in die Ankerbucht Ormus Misa auf der Insel Rineia.

Mittwoch - Halbzeit, so möchte man danken. Es war höchste Zeit, wieder Richtung Athen zu laufen. Aber erst nach einer morgendlichen Baderunde um das Boot. Der angekündigte Wind ließ noch etwas auf sich warten. So liefen wir zunächst unter Maschine südlich von Syros vorbei um uns später von dem versprochen südlichen Winden nach Kynthos schieben zu lassen.

Gerade nach der Mittagsvesper wollten wir die Segel setzten, als plötzlich jemand Delfine in der Nähe entdeckte. Anfangs noch zurückhaltend und in größerer Entfernung, kamen die neugierigen Tiere doch bald näher und hielten sich rund 45 Minuten lang in unserer Nähe auf. Dass wir währenddessen in die völlig falsche Richtung fuhren, war uns zunächst mal völlig egal.

Die Quittung dafür gab es dann in Loutra auf Kynthos. Der kleine Hafen, in dem wir uns versorgen wollten, war voll. Auch die vorgelagerten Ankerbuchten waren schon gut gefüllt. Hier zeigte sich, dass sich die vielen Schiffe aus Athens Marinas während der "Rückfahr-Rally" an den wenigen kleinen Häfen in die Quere kommen. Mehrfach versuchten wir in der Bucht den Anker auf 20m Wassertiefe einzugraben. Aber auch mit ~75m Kette wollte er einfach nicht halten und ließ er sich noch spielend durch den Grund ziehen.

Wir diskutierten unsere Optionen bei der nun schnell hereinbrechenden Dunkelheit. Eine unbekannte und nicht befeuerte Ankerbucht nach dem Kartenplotter anzulaufen schied von vornherein aus. Die anderen Häfen in der Nähe waren vermutlich auch schon überlaufen, waren genauso unbekannt und würden uns ebenfalls einige Stunden Schlaf kosten. Das hieße dann am nächsten Morgen bei weiter auffrischenden Wind mit übermüdeter Crew weiter zu fahren und wieder um einen neuen Liegeplatz zu kämpfen. Auch das war nicht gerade verlockend, zumal sich das Spiel am Freitag in der Marina Kalamaki nochmals wiederholen würde.

Die einzig sinnvolle Alternative erschien uns somit, die schlafenden Crews zu überholen und während der Nacht gleich zurück nach Athen in den noch leeren Hafen zu laufen, sicherer Liegeplatz, gesicherte Versorgung und ganz wichtig - Ausschlafen.

Während die guten Feen an Bord, aus den noch vorhanden Resten, ein improvisiertes aber leckeres Mahl zauberten (Paprika, Salami, Dosentomaten, Feta und italienische Kräuter), wurde schnell ein Wachplan für die Nacht ersonnen und die Karten nach den markanten und sichtbaren Leuchtfeuern abgesucht.

Mit Weste und Lifebelt am Boot gesichert ging es bei 10-15kn Wind und gereffter Genua durch die Nacht. Das Tempo haben wir bewusst auf 3-4kn gedrosselt, um beim Anlegen im Heimathafen wieder Tageslicht zu haben. Die Wassertiefen bereiten in dem Revier glücklicherweise keine größeren Schwierigkeiten, da schon wenige Meter vom Land entfernt die Wassertiefe schnell einige Dutzend Meter beträgt.

Die Orientierung bei Dunkelheit war zunächst etwas ungewohnt. Ohne Leuchtfeuer in unmittelbarer Sichtweite waren die spärlich besiedelten Inseln, bei dem gerade erst zunehmenden Mond allenfalls als dunkle Schemen zu erkennen. Wir steckten den Kurs dann so, dass schon bald die ersten Leuchtfeuer in Sicht kamen und wir mehr als ausreichenden Abstand zu allen Landmassen hielten.

Die Orientierung fiel von Minute zu Minute leichter, dass obwohl die Kennungen der Feuer nicht ganz zu den Angaben in der Karte passten. Besonders die Insel Geórgios, mit ihren vielen rot blinkenden Windrädern, war über lange Zeit eine willkommene Orientierungshilfe. Anfangs hatte man jedoch noch das Gefühl, man müsse doch jeden Moment darauf knallen. Tatsächlich war man jedoch viele, viele Meilen entfernt. Nachts scheint es aussichtslos zu sein, die Entfernungen nur anhand der Lichter richtig einzuschätzen. Tagsüber waren wir dabei noch recht gut und haben die Entfernungen zu anderen Schiffen recht zuverlässig geschätzt und mit den Werten vom AIS verglichen.

Nachts reduziert sich ein 200m langer Frachter aber auf drei winzige Lichtpunkte. Wenn man dann auf dem AIS sieht, dass der Kollege bald mit nur 0,3sm und 15kn hinter einem durchrauschen wird, macht man freiwillig die Maschine an und bringt etwas mehr Abstand dazwischen. Überhaupt kam es mir so vor, dass wir in dieser Nacht mehr Schiffsverkehr gesehen haben, als während der ganzen restlichen Woche. Mit der Zeit hatte man sich so gut an die nächtlichen Verhältnisse gewöhnt, dass man nach seiner zweistündigen Schlafpause die Nase nur wenige Sekunde aus dem Niedergang herausstrecken musste, um schon vor dem Blick auf den Kartenplotter eine gute Vorstellung von der aktuellen Lage zu haben.

Später im saronischen Golf, war der Wind dann wieder weg und wir konnten nur noch unter Maschine laufen.

Die Küstenline war mit ihren zahllosen Lichtern auch in der Nacht fast so gut zu erkennen, wie am Tag. Nur die Inseln blieben nach wie vor nur durch ihre winzigen Leuchtfeuer erkennbar, so dass man übermäßig viel Platz gelassen hat. Wie viel Luft da tatsächlich noch zur Verfügung stand, wurde einem eigentlich erst richtig bewusst, als der Tag dämmerte und man die Konturen wieder deutlicher erkennen konnte.

Im Nachhinein betrachtet war das Aufregendste an der Nachtfahrt die Tatsache, dass sie ungeplant war und wir die ganze Rückreise von Rineia in einem Rutsch durchgefahren sind.

Später hörten wir von einer anderen Crew, dass sie während der Nacht vor Anker auch keine Ruhe gefunden haben. Mehrere Schiffe seien an ihnen vorbei getrieben, weil deren Anker auch nicht gehalten habe.

Zurück in der Marina Kalamaki hieß es schlicht "Leinen fest", Tanken, der Tankwagen war nur Minuten später unaufgefordert zur Stelle, Einkaufen, Frühstücken und Ausschlafen.

Später am Nachmittag als wir gerade überlegten, ob wir zum Baden noch mal in eine Bucht tuckern, zogen dicke Gewitterwolken auf. Innerhalb von Minuten nahm der Wind auf 45kn zu. Wir lagen mit ~20° Krängung im Hafen, so dass wir die Fender tiefer hängen mussten. Sie liefen Gefahr, bald wirkungslos auf dem Deck des Nachbarn zu liegen.

Im Laufe des Nachmittags füllte sich dann der Hafen langsam wieder. Einige Crews kehrten klitschnass heim und berichteten, von 3m hohen Wellen, und dass sie die Segel nur noch mit großer Mühe reffen konnten.

Am Freitag, dem letzten Tag vor der Rückreise, war die Wetterprognose wieder durchwachsen. Das Schiff blieb wieder im Hafen und wir fuhren zum Sightseeing nach Athen.

Dort erklommen wir das Plateau der Akropolis. Riesige Menschmassen schieben sich dort durch das Gelände. Hier oben hat man einen recht guten Rundblick auf Athen. Uns wird bewusst, wie groß die Stadt doch eigentlich ist, und dass ein großer Teil dieses Ökosystems einzig von diesen alten Steinen abhängt. Wir verlassen das Gelände wieder und werden noch von einem Hagelschauer überrascht.

Nach einem kleinen Imbiss ging es zurück zum Boot zur Übergabe. Dabei erzählte uns der Vercharterer, dass nach aktuellem Kenntnisstand von den Charterschiffen aus der näheren Umgebung insgesamt 3 Schiffe gesunken sind und drei weitere Schiffe einen Totalschaden haben. Die Crews wurden von den Wetterkapriolen überrascht. Während sie am Strand lagen oder in den Tavernen saßen, haben sich ihre Schiffe selbstständig gemacht.

Gab es anfangs durchaus noch etwas Wehmut, dass man den besten Segeltag im Hafen liegend verbracht hatte, so setzte sich später die Erkenntnis durch, dass unsere Entscheidung sicher nicht die schlechteste war.

Der Rest des Tages war geprägt von Erfahrungsaustausch und Feiern. Umgeben von weiteren deutschen Crews erzählen sich alle ihre jüngsten Erlebnisse. Bei vielen spürte man deutlich die Erleichterung, sicher zurück im Hafen zu sein. Die sehr gute Fischplatte in der Taverne "Vassilis" schafft es da nur noch zur Randnotiz.

Später am Abend fielen wir bei einem unserer anderen Schiffe ein. Reste wurden zusammengetragen und jeder feierte mit jedem. Nebenan lagen zwei dänische oder schwedische Crews. Diese hatten tatsächlich eine Karaoke-Anlage und Beamer dabei und unterhielten den halben Hafen. Ein Großsegel wurde zur Leinwand umfunktioniert. Die Stimmung war super, der Gesang nicht immer.

Die Nacht hinterließ bei allen deutliche Spuren, so dass die Gesichter noch zerknautschter wirkten, als bei der Anreise.

Fazit: Seglerisch war der Törn vielleicht nicht genau das, was man sich von dem windsicheren Revier erhoffte. Dennoch hat uns der Törn auch dieses Jahr wieder viele tolle Erlebnisse und Erfahrungen beschert.

GS